Das Bündnis SOGenannte Sicherheit fordert noch einmal mit Nachdruck die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten. Nach der letzten Demonstration gegen die Verschärfung des Gesetzes in Greifswald im November 2019 versprach die Regierungskoalition aus SPD und CDU, sich zumindest auf diesem Gebiet auf die Protestierenden zuzubewegen – konkret geworden ist das Ganze jedoch bislang nicht. Dabei fordert neben dem Bündnis, dem mehr als 60 politische Verbände und Gruppierungen angehören, z.B. der Landesverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter seit langem die Einrichtung einer solchen Stelle. Warum das Bündnis auf der Forderung beharrt und wie die Behörde ausgestaltet werden könnte, erklären wir im Folgenden:

Seit seiner Gründung im Frühjahr 2019 macht sich das Bündnis SOGenannte Sicherheit gegen die geplante Novellierung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern stark. Die Neuregelung des Gesetzes bringt einen enormen Zuwachs an Ermittlungs- und Eingriffsbefugnissen der Polizei bereits im Vorfeld begangener Straftaten mit sich: Ein Staatstrojaner, die Online-Durchsuchung, die Ausweitung von Videoüberwachung im öffentlichen Raum oder auch die Überwachung von Unbeteiligten Dritten, um nur einige wenige Maßnahmen zu nennen, bedeuten einen tiefen Einschnitt in die Privatsphären und Freiheitsrechte der Menschen in M-V. Eine zwingend notwendige und unabhängige Kontrollinstanz, die die Einhaltung dieser Kompetenzen überwacht und in der Lage dazu ist, Fehlverhalten aufzuklären und abzustellen, ist hingegen nicht vorgesehen.

Gleichzeitig dringen jedoch immer wieder neue Polizeiskandale an die Öffentlichkeit, wie Anfang Februar dieses Jahres: Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat Ermittlungen gegen einen AfD-nahen Polizeibeamten aufgenommen, der beschuldigt wird, personenbezogene Daten ohne dienstlichen Grund abgerufen und vermutlich aus politischen Motiven weitergegeben zu haben.

Die vorgesehenen Kompetenzerweiterungen und die sich häufenden Polizeiskandale von Nordkreuz bis hin zum aktuellen Fall lassen keinen anderen Schluss zu: Eine unabhängige Kontrolle der Polizei in M-V muss sein!

Um dies zu gewährleisten bietet sich eine zweistufige Lösung an:

Erstens sollte eine unabhängige Beschwerdestelle für Fehlverhalten von Polizeikräften eingerichtet werden. Diese soll es Bürger:innen möglichst niedrigschwellig ermöglichen, Beschwerde über polizeiliches Fehlverhalten einzulegen. Ein solches kann reichen von nicht-strafbarem Verhalten wie diskriminierenden Äußerungen im Rahmen von Polizeieinsätzen über Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen bis hin zu schweren Missständen in der Polizei. Auch Polizeikräften selbst soll es dadurch ermöglicht werden, Fehlverhalten im kollegialen Umfeld zur Sprache zu bringen, ohne sich an Vorgesetzte wenden zu müssen.

Zweitens sollte die unabhängige Beschwerdestelle mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ausgestattet werden wie beispielsweise ein eigenes Akteneinsichtsrecht, Zutrittsrechte zu den Dienststellen sowie die Rechte, Zeug:innen verbindlich zu laden oder Einsätze zu begleiten.

Die konkreten Aufgaben einer solchen Beschwerdestelle wären zum Beispiel: Stärkung des Vertrauens der Bürgerinnen in die Arbeit der Polizei, erhöhte Bürgerinnennähe in der polizeilichen Arbeit, erhöhte Transparenz der polizeilichen Aufgabenerfüllung und Erkennen von kritikwürdigem oder fehlerhaftem Verhalten oder Handeln der Polizei. Auch in der Ausbildung von Anwärterinnen auf den Polizeidienst sollten exemplarisch Fälle besprochen werden, um eine nachhaltige Veränderung von Missständen zu gewährleisten. Weiterhin soll die Beschwerdestelle nicht weisungsgebunden an eine übergeordnete Behörde sein. Ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber einem Ministerium sollte unbedingt vermieden werden.

In M-V würde sich so beispielsweise eine strukturelle Anbindung an den Bürgerinnenbeauftragten des Landes anbieten. Die Person für das Amt wird vom Landtag gewählt und ist diesem rechenschaftspflichtig. Eine Beschwerdestelle hieran anzugliedern würde den Aufwand der Etablierung einer solchen Institution deutlich reduzieren, ihren Bekanntheitsgrad erhöhen und Aufgaben wie die Informationspflicht von Betroffenen oder Tätigkeitsberichte an den Landtag beinhalten.

Mittlerweile existieren in einigen Bundesländern (u.a. Baden-Württemberg, Rheinland-Pflaz, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Sachsen) sogenannte Polizeibeauftragte bzw. zentrale Beschwerdestellen für die Polizei. Dass diese Institutionen auch genutzt werden, zeigen die Berichte des Landespolizeibeauftragten in Rheinland-Pfalz und auch der zentralen Beschwerdestelle der sächsischen Polizei.

Eine unabhängige Beschwerdestelle ist realisierbar. Die Novellierung des SOG M-V muss dazu genutzt werden, eine solche zu etablieren. Denn die geplanten weitreichenderen Befugnisse schon im Vorfeld von begangenen Straftaten und immer neue Skandale zeigen deutlich: Wir brauchen eine unabhängige Kontrolle der Polizei.

Weitere Informationen zur Notwendigkeit und Etablierung einer unabhängigen Beschwerdestelle sowie weitere kritikwürdige Aspekte der geplanten Neuregelung des SOG M-V können der Stellungnahme des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen Greifswald entnommen werden: https://recht-kritisch.de/akj-stellungnahme-zum-sog-entwurf