Das Polizeigesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG-MV) wurde, wie andere Polizeigesetze auch, letztes Jahr verschärft. Seitdem ist es zugegebenermaßen ruhiger um das No-SOG-Bündnis geworden. Wo es nicht ruhiger wurde, ist im CSU-geführten Bundesinnenministerium, wo munter weiter an Gesetzesverschärfungen gebastelt wird. Ihr Ziel: Grundrechte der Menschen abbauen und den Kontrollapparat – nicht nur bei der Polizei – ausbauen. Wir fassen Euch einige, aus unserer Sicht, sehr bedenkliche Entwicklungen zusammen.

1. Neues Bundespolizeigesetz: Überwachungswahn stoppen!
2. Sicherheitsdienstleistungsgesetz: Wir brauchen keine Hilfspolizei!
3. Ausländerzentralregister: Datenschutz für alle!

1. Neues Bundespolizeigesetz: Überwachungswahn stoppen!

Mitte Mai sollte der Gesetzesentwurf für ein neues bundesweites Polizeigesetz im Bundestag verabschiedet werden. Er wurde ganz kurzfristig von der Tagesordnung genommen und soll nun erst am 10. Juni verabschiedet werden. Mitbekommen hatte von der Gesetzesverschärfung kaum jemand. Dabei steckt allerhand fieses Zeug drin (offizielle Kurzzusammenfassung: hier). Die Bundespolizei soll mehr Befugnisse erhalten, z. B.:

Für den Gesetzentwurf klopfen sich CDU/CSU und SPD kräftig auf die Schultern.

Klar ist: Es hätte schlimmer kommen können. Einiges wurde im Vorfeld aus dem Entwurf gestrichen. Die Ideen des Bundesinnenministeriums sind aber kritisch genug. Sie zeigen deutlich, wo die Reise in der Zukunft hingeht.

2. Sicherheitsdienstleistungsgesetz: Wir brauchen keine Hilfspolizei!

Neben der Baustelle „Bundespolizei“ arbeitet das Bundesinnenministerium daran, privaten Sicherheitsfirmen mehr polizei-ähnliche Befugnisse zu erteilen – im sogenannten „Sicherheitsdienstleistungsgesetz“. Schon letztes Jahr ist die Zuständigkeit für die sogenannte „Sicherheitswirtschaft“ an das Bundesinnenministerium übergegangen. Hier sollen nun Ausbildung und Befugnisse von Mitarbeitenden in Sicherheitsfirmen neu geregelt werden. Was sich die Lobby der Unternehmen wünscht: Mehr Befugnisse, um „Deutschland sicherer zu machen“.

Was das im Alltag bedeuten soll: Sicherheitsdienstmitarbeitende sollen dann Befugnisse erhalten, die bisher nur der Polizei zustanden: In die Grundrechte von Leuten eingreifen. Zum Beispiel: Taschenkontrollen und Personalien aufnehmen. Bundesweit gibt es ungefähr 250.000 Mitarbeitende in der „Sicherheitswirtschaft“, also fast genauso viele wie Polizist:innen der verschiedenen Polizeien. Mit einem Fingerschnippen würde die Anzahl der Menschen mit polizei- und polizeiähnlichen Befugnissen also verdoppelt.

Wen das betreffen könnte?

  • Alle Leute, die den öffentlichen Raum nutzen, aber dort nicht gern gesehen sind: Jugendliche an beliebten Plätzen oder in Parks, Feiernde, Obdachlose. Eine noch stärkere Verdrängung aus dem öffentlichen Raum ist zu befürchten, wenn schlichtweg die Anzahl derer, die Kontrollen durchführen und Strafen verteilen, wächst.
  • Alle Bereiche, in denen eine Privatisierung von Polizeiaufgaben dem Staat gefallen könnte, weil er hier auf Kosten der Grundrechte Geld sparen kann: Fußballspiele, Großveranstaltungen.
  • Alle öffentlich relevanten Einrichtungen, die von Sicherheitsfirmen überwacht werden, von Atomkraftwerken bis zu Unterkünften für Geflüchtete. Zur Problematik beim Thema Geflüchtetenunterkünfte lest ihr hier mehr.

Warum das bedenklich ist?

Mecklenburg-Vorpommern geriet in den vergangenen Jahren durch die Verbindung von Polizei und Innenministerium mit Preppern und Nazis in die bundesweite Presse. Ganz sicher ist es keine gute Idee, Leuten deren Verfassungstreue noch schlechter zu kontrollieren ist, die häufig nur Ausbildungskurse von ein paar Wochen durchlaufen, polizeiähnliche Befugnisse zu geben.

3. Ausländerzentralregister: Datenschutz für alle!

Auch kaum beachtet, bastelt das Bundesinnenministerium gerade daran ein Grundrecht für Leute, die in Deutschland Asyl beantragen, nahezu komplett abzuschaffen: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also das Recht darauf selbst zu bestimmen, wer persönliche Informationen über eine:n selbst bekommt. Das Innenministerium will die sensiblen Daten, die Asylsuchende an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geben (über politische Verfolgung, Religion, sexuelle Orientierung und erlebte Gewalt) allen deutschen Behörden zur Verfügung stellen. Das bedeutet ganz praktisch: Wenn jemand nach einer Anerkennung als Flüchtling beim Jobcenter landet, kann der:die Mitarbeiter:in dort dessen ganze Lebensgeschichte einsehen. Mit einem Mausklick.

Das ist extrem anfällig für Repression durch die Geheimdienste anderer Länder, die sich sehr für oppositionelle Strukturen interessieren. Und nein, das ist kein Verschwörungsmythos. Fälle, in denen regimetreue Spitzel Informationen über Oppositionelle im Asylverfahren in Deutschland sammeln, sind dokumentiert (z.B. hier zu Eritrea und hier zur Türkei). Die Informationen zu sammeln, wird erheblich erleichtert, wenn das von nahezu jedem Amt aus geht.

Undemokratische Gesetze und Gesetzgebunsgverfahren

Bei all diesen Entwicklungen lässt sich eine Gemeinsamkeit feststellen: Die Gesetze werden keineswegs breit und demokratisch verhandelt. Im Gegenteil: Das Innenministerium macht wahr, was Horst Seehofer bereits 2019 öffentlich sagte: Gesetze werden kompliziert gemacht, damit sie keine:r mehr versteht. Stellungnahmen von Vereinen aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft werden in absurd kurzer Zeit eingeholt.

Darüber hinaus fällt auf, dass die Gesetzesentwürfe nur mit denjenigen Interessensvertretungen zusammen erarbeitet werden, bei denen CDU/CSU sich denken können, dass sie auch ihre Meinung vertreten. Das ist kein demokratischer Prozess, das ist Lobby-Arbeit.

Am Beispiel Sicherheitsdienstleistungsgesetz: Der Gesetzesentwurf wurde nur mit Vertreter:innen von Polizeien, Kommunen und Sicherheitswirtschaft vorbesprochen, das geht aus einer Anfrage an das Innenministerium hervor. Wer nicht am Tisch saß: Interessensverbände derjenigen, die von den Securities später mal kontrolliert werden: Jugendliche, Fußballfans, Obdachlose, Geflüchtete. Das Innenministerium nennt ihre Vorgespräche zynisch „Workshops“ zur Erarbeitung des Gesetzes. Wir nennen es, was sie sind: Lobby-Veranstaltungen.

Handeln bevor es zu spät ist

Wir haben euch hier eine Reihe bedenklicher Gesetzesvorhaben zusammengestellt, mit denen die Law-and-Order-Fraktion Menschen stärker kontrollieren und teilweise kriminalisieren will. Diese Verschärfungen und auch die Art und Weise, wie sie umgesetzt werden, sind Angriffe auf die freiheitliche Gesellschaft.

Was wir hier zusammengetragen haben, ist stichpunktartig und keineswegs umfassend. Auch wir sind mehr durch Zufall auf so Manches dieser Probleme gestoßen. Wir möchten euch deswegen ermutigen:

  • Belest euch und klickt die hinterlegten Links durch.
  • Sprecht Menschen in eurem Umfeld darauf an, was gerade passiert und/oder postet die Infos in Sozialen Medien.
  • Kontaktiert Vereine, Verbände, Parteien und speist die Kritik in die Strukturen ein, die Gesetzgebungsprozesse beeinflussen können.
  • Organisiert Protest.