Derzeit sieht es so als würde MV zukünftig rot-rot regiert. Damit bekommt das skandalträchtige Innenministerium MV eine:n neue:n Chef:in. Wir haben uns an die zukünftigen Abgeordneten von SPD und LINKEN gewendet, um unsere Forderungen zu unterstreichen.

Für eine zukunftsfähige Sicherheits- und Polizeipolitik in M-V

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,

wir wenden uns an Sie, damit in den derzeitigen Koalitionsverhandlungen das gesellschaftlich umstrittene Thema der Polizeigesetze, für M-V das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG), nicht in Vergessenheit gerät. Vorneweg: Wir freuen uns, dass mit einer Mitte-Links-Regierung ein echtes Potential für eine fortschrittliche Sicherheits- und Polizeipolitik besteht.

Das Bündnis „SOGenannte Sicherheit – Nein zum SOG M-V!“ befasst sich seit 2019 mit der vergangenen Novellierung und Verschärfung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in M-V. Wir sind ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis, dessen außerparlamentarische Arbeit von mehr als 60 Organisationen, sowie auch durch Ortsverbände und Jugendorganisationen Ihrer Parteien unterstützt wurde und wird.

Wir möchten mit Blick auf die Innenpolitik des Landes der vergangenen Jahre und Legislaturen, der öffentlich gewordenen Missstände rund um die Landespolizei und der mangelnden demokratischen Kontrolle der Exekutive für die kommende Legislaturperiode drei Punkte darstellen, die dringend Eingang in die Koalitionsverhandlungen finden müssen.

1. Die Dringlichkeit einer schnellstmöglichen Nachbesserung des verschärften SOG-MV hin zur Verfassungskonformität.

2. Die Notwendigkeit eine echte und arbeitsfähige Beschwerde- und Monitoringstelle für Fehlverhalten von Polizeien und Sicherheitsbehörden einzusetzen.

3. Ein Plädoyer für eine in ihrer Gesamtheit progressive und demokratische Innen- und Polizeipolitik als Leitlinie einer rot-roten Landesregierung.

Dringlichkeit einer schnellstmöglichen Nachbesserung am verschärften SOG M-V hin zur Verfassungskonformität

Die zurückliegende Novellierung und Verschärfung des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes M-V war beispielhaft für die Arbeitsweise des CDU-geführten Innenministeriums: Hinter verschlossenen Türen wurde ein Entwurf erarbeitet, an dessen Entstehung zivilgesellschaftliche Organisationen und Vertreter:innen von Betroffenengruppen nicht beteiligt waren. Der zuständige Minister zeigte sich immun gegen Kritik aus der Zivilgesellschaft: Sowohl Protest als auch ernstzunehmende, im Innenausschuss vorgebrachte juristische Zweifel an der Verfassungskonformität der Verschärfung wurden schlichtweg nicht beachtet. Das, erst durch den öffentlichen Protest problematisierte, Gesetzesvorhaben fand seinen Weg durch die Abstimmung zu einem Zeitpunkt, als die Pandemie jede öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Das Gesetz wurde derart klammheimlich, auch unter Zähneknirschen einiger SPD-Abgebordneter qua Fraktionszwang, verabschiedet, dass es der Regierung nicht einmal eine einfache Pressemitteilung zur Information der Öffentlichkeit Wert war.

Dies ist bitter, denn es führte dazu, dass nun mehrere verfassungswidrige Abschnitte im SOG M-V enthalten und in Kraft sind. Sie werden es auch solange sein bis das Landesverfassungsgericht in dem Verfahren entschieden hat und die Gesetzgeberin gezwungen ist nachzubessern.

Wir möchten Sie eindringlich bitten in den Koalitionsvertrag aufzunehmen, dass schnellstmöglich mindestens der vorhergehende Stand – das ursprüngliche SOG M-V – für die Bürgerrechte der Menschen in Mecklenburg-Vorpommern wieder hergestellt wird. Eine Evaluation des SOG M-V in 2024 ist zu spät. Es geht hierbei nicht um Kleinigkeiten, sondern um grundlegende, grundrechtlich verbriefte Rechte: Die Unverletzlichkeit der Wohnung, die informationelle Selbstbestimmung, das Grundrecht auf digitale Intimsphäre („IT-Grundrecht“) und das Fernmeldegeheimnis.

Eine Zusammenfassung der verfassungsrechtlich bedenklichen Abschnitte des neuen SOG M-V finden Sie auf unserer Webseite unter www.sogenannte-sicherheit.org/verfassungsbeschwerde. Dort finden Sie auch für juristische Details die Ausführungen aus der Verfassungsbeschwerde der die Beschwerde vertretenden Juristin Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak.

Wir kommen zur Thematik sehr gerne mit Ihnen persönlich ins Gespräch.

Notwendigkeit einer echten und arbeitsfähigen Beschwerde- und Monitoringstelle für Fehlverhalten von Polizeien und Sicherheitsbehörden

Eine der Forderungen unseres Bündnisses war von Anfang an eine unabhängige Beschwerdestelle für Verfehlungen von Polizeien und Sicherheitsbehörden. Flankiert wurde diese Forderung über zwei Jahre hinweg von mehr und mehr öffentlich gewordenen Skandalen aus den Reihen der Landespolizei, sowie am Ende bis in die Führungsspitze des Innenministeriums. Angesichts der Unnachgiebigkeit seitens des Innenministeriums hatten wir bereits 2019 vorgeschlagen, dass eine unter den damaligen Rahmenbedingungen realpolitisch durchzusetzende Variante einer solchen Beschwerdestelle beim Bürgerbeauftragten angesiedelt werden könnte. Wir freuen uns, dass dieses Anliegen durch die SPD auch voran getrieben wurde.

Wir sehen in einer rot-roten Regierungskoalition nun das Potential für einen weiteren wichtigen Schritt hinsichtlich einer Beschwerde- und Monitoringstelle. Dahingehend möchten wir anregen, diese als tatsächlich von politischen Wahlen und Regierungsbildungen unabhängige Stelle zu konzipieren. Dies bedeutet für uns:

  • Eine unabhängige Beschwerdestelle darf nicht, wie jetzt beim Bürgerbeauftragten, in der Landesregierung angesiedelt sein. Nur so kann sie auch im Falle eines erneuten Regierungswechsels tatsächlich politisch unabhängig bleiben. Sie muss strukturell ihre Parteilichkeit mit Betroffenen von Polizeigewalt, Übergriffen und Fehlverhalten zum Ausdruck bringen. Sie sollte entsprechend bei einer NGO/ einem freien Träger angesiedelt sein, die unabhängig von Regierung, Parteien und Wahlen arbeitet. Vorbild hierfür können beispielsweise Opferberatungsstellen für Betroffene von sexualisierter Gewalt, Rassismus oder Antisemitismus sein. Eine politische Unabhängigkeit sichert die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen seitens Betroffener. Dies gilt sowohl für die Einwohner:innen dieses Bundeslandes, als auch für die Beschäftigten der Landespolizei.
  • Eine solche Beschwerde- und Monitoringstelle muss mit Ressourcen ausgestattet sein, die die tatsächliche Handlungsfähigkeit gewährleisten. Dies bedeutet zum Einen eine langfristig gesicherte Finanzierung von Personal sowie Infrastruktur. Eine solche Beschwerde- und Monitoringstelle sollte mit mindestens zwei Personen mit jeweils mindestens 30h/Woche besetzt sein. Die Ausstattung muss die besonderen Herausforderungen des Flächenlands abbilden, z.B. Fahrtkosten für Beratungs- und Erfassungsgespräche und eine mobile Büroausstattung. Auch der Kontakt zu erwartenden Zielgruppen muss sichergestellt sein, beispielsweise durch ausreichend Sprachmittlungskosten in Fällen von rassistischer Polizeigewalt oder durch psychologische Begleitung von Beratungs- und Erfassungsgesprächen nach Extremsituationen. Zum Anderen braucht eine Beschwerde- und Monitoringstelle echte Ermittlungskompetenzen gegenüber Polizeien und Behörden, bestenfalls auch Sanktionskompetenzen.
  • Die Stelle muss in ihrer Öffentlichkeitsarbeit und Dokumentation frei von der Einflussnahme durch Ministerien sein, um dem Monitoring-Auftrag tatsächlich nachkommen zu können. Angesichts der wachsenden Zahl der Skandale bei der Landespolizei in M-V, aber auch anderer Bundesländer, und einer ebenfalls wachsenden Sensibilität der Öffentlichkeit für polizeiliches Fehlverhalten, ist ein möglichst umfassendes Monitoring ein Weg hin zu einer Datengrundlage, auf der ein demokratischer Strukturumbau ansetzen muss.

Auch hier kommen wir gerne mit Ihnen zu unseren Ideen ins Gespräch.

Plädoyer für eine in ihrer Gesamtheit demokratische Sicherheits- und Polizeipolitik als Leitlinie einer rot-roten Landesregierung

Die vergangenen Legislaturperioden standen sicherheitspolitisch unter schwierigen Voraussetzungen. Gesetze und Leitlinien wurden durch ein konservatives CDU-geführtes Ministerium verfasst und vorangetrieben, das wenig Bereitschaft zeigte über Jahre verfestigte fehlgeleitete Strukturen aufzubrechen und zu sanktionieren – selbst wenn innerhalb dieser rechte Netzwerke, Prepper oder sexualisierte Übergriffe gegen Frauen bzw. Mädchen bekannt wurden.

In M-V bietet sich aktuell die Chance eine Polizei- und Sicherheitspolitik in die Wege zu leiten, die nicht auf den Kernparadigmen des Strafens und Ordnens fußt, sondern in der Raum für soziale Entwicklung und ein optimistisches Menschenbild ist. Wir sehen eine künftige rot-rote Regierung in Mecklenburg-Vorpommern in der Pflicht den notwendigen Schritt zu einer demokratisch basierten Innenpolitik zu gehen und durch eine demokratische und öffentliche Regulation der Landespolizei auch das Vertrauen in diese Institution wieder herzustellen.

Das Bündnis „SOGenannte Sicherheit – Nein zum SOG M-V!“ repräsentiert eine Vielfalt unterschiedlicher Akteur:innen – Jugendverbände, Fußballfans, Parteien, zivilgesellschaftliche Organisationen, Kulturschaffende, freie Träger aus den Bereichen Pädagogik und Bildung. Wir bringen unsere vielfältigen Perspektiven aus der aktiven Zivilgesellschaft sehr gerne in weitere Debatten und Foren der politischen Entscheidungfindung ein und stehen Ihnen bei der inhaltlichen Neuausrichtung der Sicherheits- und Innenpolitik dieses Bundeslandes zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,
das Bündnis „SOGenannte Sicherheit – Nein zum SOG M-V!“