PM: Verfassungsbeschwerde gegen massive Eingriffe in Privatsphäre
Pressemitteilung: Verfassungsbeschwerde gegen neues Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern
Rostock/Karlsruhe, 3. Juni 2021 – Durch Änderungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes hat die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern zahlreiche neue Überwachungsbefugnisse erhalten. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat heute zusammen mit dem Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingelegt. „Die Änderungen ermöglichen tiefe Eingriffe in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, ohne dass eine konkrete Gefahr vorliegen muss. Das verstößt gegen das Grundgesetz“, erklärt David Werdermann, Jurist und Verfahrenskoordinator der GFF.
Intensive Grundrechtseingriffe ohne konkrete Gefahr
Explizit richtet sich die Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen längerfristige Obser- vationen durch Polizeibeamt*innen, den Einsatz verdeckter Ermittler*innen und Ver- trauenspersonen, Abhörmaßnahmen in und außerhalb der Wohnung, den Einsatz von Staatstrojanern und gezielte polizeiliche Kontrollen. All diese Maßnahmen sollen schon im Vorfeld einer konkreten Gefahr zulässig sein. Damit kann praktisch jede Person umfassend überwacht werden.
„Unter dem Vorwand der Terrorabwehr hat die Regierungskoalition polizeiliche Befugnisse massiv ausgeweitet. Das Gesetz ist ein großer Schritt hin zu einem unkontrollierbaren Überwachungsstaat“, so Michael Milz, Sprecher vom Bündnis „SOGenannte Sicherheit“, das von Anfang an gegen das neue Polizeigesetz protestiert hatte.
Polizei soll in Wohnungen eindringen, um Staatstrojaner zu installieren
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich insbesondere gegen den Einsatz von Staatstrojanern, also das Aufspielen einer staatlichen Späh-Software auf Computer und Smartphones, um diese auszulesen und verschlüsselte Kommunikation abzufangen. Die Maßnahme greift tief in die Privatsphäre ein, weil sie Einblicke in eine Vielzahl von hochsensiblen Informationen erlaubt.
Problematisch ist aber auch wie der Staatstrojaner installiert werden soll: Das Gesetz erlaubt es der Polizei, Sicherheitslücken auszunutzen, statt sie an die Hersteller*innen zu melden. Das schwächt die IT-Sicherheit aller Bürger*innen. Zudem soll es der Polizei möglich sein, Wohnungen zu betreten, um die Spähsoftware zu installieren. Gerade weil Menschen ihre Smartphones oft pausenlos mit sich führen, ist es daher nicht ausgeschlossen, dass Polizeibeamt*innen nachts in die Wohnungen schlafender Menschen eindringen, um ihre Geräte zu infiltrieren.
Gezielte Kontrollen zur Einschüchterung von Menschen, die keiner Straftat verdächtig sind
Das Gesetz ermöglicht auch die Ausschreibung von Personen zur gezielten Kontrolle. Dabei werden etwa Fahrzeuge und Personen kontrolliert und durchsucht. Das soll laut Gesetzesbegründung dazu dienen, „potentielle Gefährder zu verunsichern“, also Personen, von denen die Polizei annimmt, dass sie irgendwann einmal eine Straftat begehen könnten. Betroffen sind aber auch Dritte, die sich zufällig im selben Fahrzeug befinden. „Durch meine politischen Aktionen für Klimagerechtigkeit gerate ich immer wieder in den Fokus der Polizei. Die schwammigen Vorgaben des neuen Polizeigesetzes öffnen polizeilicher Willkür Tür und Tor, deswegen gehe ich vor Gericht“, sagt Salome Krug, Aktivist*in und Kläger*in.
Die GFF koordiniert die Verfassungsbeschwerde. Initiiert wurde sie vom Bündnis „SOGenannte Sicherheit“. Zu den Kläger*innen zählen Aktivist*in Salome Krug, Strafverteidigerin Katrin Hildebrandt, ein Journalist und zwei aktive Fußballfans des F.C. Hansa Rostock. Sie werden vertreten durch die Rechtsanwältin Dr. Anna Luczak aus Berlin.
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